Erweiterte Ausführungen zur Bewertung von Wirbelsäulenschaden: nach der GdB-Tabelle:
Beeinträchtigungen der Wirbelsäule beim Antrag auf Schwerbehinderung auch tatsächlich geltend machen!
Die Regelung der versorgungsmedizinischen Grundsätze zum Grad der Behinderung für die Wirbelsäule (GdB-Tabelle)
Wann liegen leichte, wann mittelschwere und wann schwere Auswirkungenen an der Wirbelsäule oder Wirbelsäulenabschnitten vor ?
Mehrere Abschnitte der Wirbelsäule betroffen - was gilt ?
Nur ein einziger Abschnitt der Wirbelsäule betroffen: Welcher Grad der Behinderung (GdB) kann maximal erreicht werden ?
Zwei Abschnitte der Wirbelsäule betroffen: Welcher Grad der Behinderung (GdB) kann maximal erreicht weren ?
Zwei Abschnitte der Wirbelsäule von schweren funktionellen Auswirkungen betroffen: GdB ?
Zwei Abschnitte der Wirbelsäule von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen betroffen: GdB ?
Zwei Abschnitte der Wirbelsäule von geringen funktionellen Auswirkungen betroffen: GdB ?
Drei Abschnitte der Wirbelsäule betroffen: Welcher Grad der Behinderung (GdB) kann maximal erreicht weren ?
Sonderfall "Beeinträchtigungen der Wirbelsäule mit besonders schweren Auswirkungen"
Wann liegen leichte, wann mittelschwere und wann schwere Auswirkungenen an der Wirbelsäule oder Wirbelsäulenabschnitten vor ?
GdB-Tabelle Wirbelsäule | WIRBELSÄULENSCHÄDEN Behinderungsgrade
SG Aachen 18. Kammer   09.01.2018     S 18 SB 1001/16
Bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen mit einem Bandscheibenvorfall L5/S1, einem leichten Wirbelgleiten und einer Spinalkanalstenose liegen im Wesentlichen mittelgradige funktionelle Auswirkungen im Bereich der LWS vor, welche nach Teil B 18.9 der Anlage zu § 2 VersMedV nur einen GdB von 20 begründen, da ein GdB von 30 bis 40 mittelgradige bis schwere funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraussetzt.
Die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte schließen die damit verbundenen üblichen seelischen Begleiterscheinungen (Teil A 2. i. der Anlage zu § 2 VersMedV) und üblicherweise vorhandenen Schmerzen und Beschwerden mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände .
Jedoch sind häufig rezidivierende lokale Schmerzsyndrome und im Verlauf wechselnde Beschwerden und Einschränkungen mit intermittierender Besserung nach Therapie und eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzsymptomatik aufgrund des radiologisch fortgeschrittenen Bandscheibenverschleißes im letzten Wirbelsäulensegment L 5/S1 und der chronischen, ärztliche Behandlung bedürftigen Schmerzstörung besonders zu berücksichtigen und rechtfertigen, den GdB auf 30 zu erhöhen
Sächsisches Landessozialgericht 9. Senat
10.10.2019
L 9 SB 143/16
Zustand nach Dekompressions-OP
weitgehend eingesteiftes Segment L 5/S 1 und operativ verstärktes Segment L 4/5
rechtsbetonte pseudoradikuläre Lumboischalgie
akute Lumboischialgie links ohne Korrelat in der MRT sowie eine bekannte Lumboischialgie rechts bei Bandscheibenvorfällen LWK 2/3 und LWK 4/5 mit Hyposensibilität des rechten Beines und Quadrizepsschwäche
hronische Lumboischialgie rechts bei NPP L3/4 mit sensomotorischer L4/S1-Wurzelreizung rechts und chronisches Zervikalsyndrom
Klopfschmerz und Druckschmerz der gesamten Wirbelsäule sowie paravertebral
Druckschmerz mit Hartspann links gluteal und paravertebral der LWS
Lasègue-Test links positiv bei 45°
HWS
Vorneigen/Rückneigen
50-0-30 Grad ( Normal 40/50-0-50/70 Grad)
Seitneigen rechts/links
30-0-30 Grad (30/40-0-30/40 Grad)
Drehen rechts/links
50-0-40 Grad (60/80-0-60/80 Grad)
BWS/LWS
Seitneigen rechts/links
30-0-30 Grad (0-30/40 Grad)
Drehen im Sitzen rechts/links
30-0-40 Grad (0-30/50 Grad)
Finger-Boden-Abstand
19 cm
Ott
30:32 cm (30:32 cm)
Schober
10:11,5 cm (10:15 cm)
Seitverbiegung
thorakal rechts konvex
Als zumindest mittelgradige funktionelle Auswirkungen in Sinne der versorgungsmedizinischen Grundsätze können eine deutliche und anhaltende erhebliche Dekonditionierung und eine hieraus resultierende deutliche Fehlstatik und muskuläre Dysbalance, eine verminderte und fehlerhafte Ansteuerbarkeit der Muskulatur sowie eine unzureichende Koordination der Bewegungsabläufe und darüber hinaus anhaltende Missempfindungen, die in Verbindung mit den haltungs- und belastungsabhängigen Wurzelreizsyndromen auftreten, interpretiert werden.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   23.10.2013    L 13 SB 80/132. Die Bewertungsstufe des GdB 30 bis 40 wird erst erreicht, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei der drei Wirbelsäulenabschnitte (HWS, BWS, LWS) vorliegen.
3. Die Obergrenze des GdB 40 ist erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Die Verteilung auf zwei Wirbelsäulenabschnitte mit jeweils nur mittelgradigen Auswirkungen bzw mit mittelgradiger und schwerer Betroffenheit je Wirbelsäulenabschnitt rechtfertigt dagegen beide Male nur den GdB 30, was ebenso für den vergleichbaren, aber nicht gesondert geregelten Fall der Betroffenheit von drei Wirbelsäulenabschnitten gelten muss, in denen jeweils nur mittelgradige Auswirkungen bestehen.
Auf den medizinischen Gesichtspunkt, dass BWS und LWS funktional als Rumpfwirbelsäule eine Einheit bilden, kommt es nichtan, denn die GdB-Bewertung bei Wirbelsäulen-Einschränkungen ist durch die rechtlichen Vorgaben der AHP und der VG an die Differenzierung in (drei) Wirbelsäulenabschnitte gebunden. Landessozialgericht Baden-Württemberg 8. Senat   24.01.2014    L 8 SB 2497/11In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ist eine Versteifung großer Teile der Wirbelsäule nur als Beispiel dafür genannt ist, wann ein Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren Auswirkungen vorliegen kann. Der Gesetzgeber hat aber insofern nicht von der Formulierungstechnik anhand von Regelbeispielen Gebrauch gemacht, bei denen unwiderleglich vermutet von einem bestimmten GdB (oder dem Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen von Merkzeichen) auszugehen wäre. Der Verordnungsgeber hat vielmehr den GdB nach wie vor daran festgemacht, dass besonders schwere funktionelle Auswirkungen erforderlich sind. Einen Automatismus zwischen Versteifung großer Teile der Wirbelsäule und besonders schweren Auswirkungen hat er aber nicht gesehen. Vielmehr ist in jedem Einzelfall anhand der vorliegenden funktionellen Einschränkungen festzustellen, ob bereits besonders schwere Auswirkungen vorliegen oder nicht.
Es mag zwar durchaus so sein, dass mit Blick auf potentielle funktionelle Beeinträchtigungen der BWS regelmäßig weniger Bedeutung zukommt als der LWS. Aus diesem Grund können jedoch LWS und BWS nicht als ein Abschnitt zusammengefasst werden. Denn nach der eindeutigen Formulierung des Verordnungsgebers in den VG, Teil B Nr. 18.9 ("mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. ..., die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst"), geht der Verordnungsgeber ersichtlich von drei Wirbelsäulenabschnitten aus, nicht von zwei.